Eine Antwort gibt hier Marlene Harmtodt-Rudolf, Obfrau des Literaturvereins:
Ja, beinahe ist es so. Überängstlich meiden Eltern die Mundart, in der Meinung, die Mundart würde den schulischen Erfolg ihrer Kinder schmälern.
"Insa Sproch deaf nit steabn, grod duach die Kinda sulls weida drogn wean."
Die Kinder haben gewiss keinen Nachteil in der Schule, wenn die Eltern mit ihnen frei von der Leber weg in der Mundart sprechen. Leider bleibt in der Schule wenig Zeit, sich mit den Kindern auch in der Mundart zu befassen. Trotzdem gäbe es aber Möglichkeiten genug dazu, "a kuazas Sprichal oda a kuazas Theatastickl - an "Sketch", wia ma hiaz sogt - zan lenan".
Es ist einen Versuch wert, die Kinder wenigstens in gehobener Mundart zur ureigensten Form der Sprache, eben der Mundart, zu führen. Wir sollten das sogar als kulturelle Verpflichtung ansehen. Wenn wir sie unseren Kindern nicht beibringen, wird eines Tages der "städtische Slang" noch mehr überhandnehmen. Dann ist es wirklich ganz vorbei mit der Sprache, die unsere Vorfahren von Generation zu Generation weitergegeben haben.
Marlene Harmtodt-Rudolf
Lang zurückliegender, vertrauter Klang der frühen Kindheit, Geborgenheit und ureigenste Sprache des Dorfes.
Sie können mir nicht folgen? Wie sollten Sie, ist doch die Mundart an der Zubringerstraße des Fortschritts verloren gegangen. Darüber können im Kulturbewusstsein veranstaltete Mundartseminare und volkstümliche Sendungen in den Medien nicht hinwegtäuschen. Mit dem Sterben des Kleinbauerntums ist auch seine kulturelle Identität, erst versteckt, später lauthals, verdrängt worden.
"Sprich schön", heißt es in den Wohnzimmern, "sprich schön", in den Schulen und Pausenhallen. Natürlich ist die Sprache einem ständigen Wandel unterzogen. Aber die rasante Entwicklung in den letzten Jahrzehnten lässt gerade bei Jugendlichen sehr oft ihre sprachliche Unsicherheit erkennen. Das Dorf ist keine von fremden Einflüssen abgeschirmte Insel mehr. In den Discos überwiegen englische Musikstücke. Der Europagedanke geistert kreuz und quer durchs Land und deckt langsam aber sicher die Wurzeln der Identität zu.
Wäre es nicht wichtig, das Selbstbewusstsein der burgenländischen Menschen zu heben und die Mundart nicht zu sprachlicher Vergangenheit verkümmern zu lassen? Eine Besinnung auf die Umgangssprache würde wieder das Wissen um den Reichtum des Zusammengehörens, des Wohingehörens fördern.
Ich war vor einiger Zeit bei einer Schriftstellertagung in Bayern und bin "sprachlos" gewesen. Bei Schullesungen konnte ich feststellen, dass es in ganz Bayern ein eigenes Mundartfach gibt. Dass sogar die Lehrkräfte an einem Tag im Jahr mit Bewilligung des Unterrichtsministeriums Aus- und Weiterbildung im Fach "Mundart" erhalten. 36 Schulen von insgesamt 40 im Kreis Deggendorf z.B. haben sich bereit erklärt, in punkto Mundart etwas zu unternehmen.
Diese Tatsache hat mich einige Tage beschäftigt. Wäre das nicht auch bei uns möglich, um wenigstens spärliche Reste der Mundart retten zu können oder zumindest das Wissen um eine verlorengegangene Sprache zu bewahren?
Meine Träume haben einen bitteren Nachgeschmack. Welcher Lehrer beherrscht noch die Mundart, die einmal in seinem Dorf gesprochen wurde?
Wie der Mensch selbst, so ist auch die Mundart von Landschaft und Natur, vom Jahresablauf der Arbeit und des Feierns, von Brauchtum und Sitte geprägt. Sie vermittelt daher in besonderer Weise das Gefühl von Zusammengehörigkeit, Gemeinschaft und Geborgenheit, ein Gefühl, das Heimat schenkt.
Wie uns die Geschichte lehrt, wurde das Burgenland von Baiern, Franken, Kroaten und Ungarn besiedelt, daher auch die Vielfältigkeit der burgenländischen Mundart.
Im Südburgenland ist die hianzische Mundart zu finden. Sie ist eine bairische Mundart und ist in ihrer Ursprünglichkeit bis in die jüngste Zeit erhalten geblieben. Bis 1921 hatte die Bevölkerung keine Verbindung mit dem großen Weltverkehr, daher war die Mundart unverfälscht.
Erst seit dem Anschluss des Burgenlandes an Österreich macht sich in der hianzischen Mundart der österreichische und schriftdeutsche Einfluss geltend. Damit ist auch manch altes Wortgut verlorengegangen, z. B. "Iada" - Dienstag, "da Auswear" - Frühling oder "da Noutn" - Atem.
Die hianzische Mundart hat auch durchwegs einsilbige Wörter, der Hianz spricht langsam und bedächtig. Gefühlsregungen, Zorn und Freude weiß er einen besonderen Nachdruck zu verleihen.
Das Urgebiet der Hianzen ist das Gebiet um Köszeg, Ungarn (deutsch: Güns), ca. 40 km² groß.
Die Hianzen waren arm und klimatisch und geologisch benachteiligt, während die Hoadbauern im Norden reich waren und so die Hianzen als Saisonarbeiter beschäftigten.
Die burgenländische Mundart ist sehr vielfältig. Es gibt kaum einige Ortschaften, in denen dieselbe Mundart gesprochen wird. Eifersüchtig werden die Eigenheiten behütet. Wie lachen die Kleinhöfleiner, wenn die Großhöfleiner zu "Guger" "Gigerl" sagen. Stolz sind die Margarethener auf ihr "Lericherl". Eidechse: Oadacks, Adaksl, Adahaxl, Adarahaxl, Tarahaxl, …
In den letzten dreißig Jahren sind starke Einflüsse des Wiener Dialekts und der steirischen Mundart zu verzeichnen. Das hat seinen Grund. Durch die Landflucht und das stark wachsende Pendlertum war dies nicht zu vermeiden. Vielfach schämte man sich auch seiner Herkunft, dem ärmlichen Land, und verleugnete seine Identität. Der Dialekt galt als „gschert“ und wurde verschrieen, in der Schule verboten und war in keiner Weise gesellschaftsfähig.
Es gab Volkstanzgruppen, Interpreten der Volksmusik, nur die Mundartpflege wurde hintangestellt. Wenige Mundartautoren trafen sich beim Stammtisch, wurden aber eher belächelt als ernst genommen. Dabei ist die Volkssprache, die Mundart, nicht nur die humoristische Wirklichkeit eines Volkes, sondern auch etwas, in der das Gewesene und auch das Kommende in kraftvoller Form zum Ausdruck kommen können. Es ist allgemein bekannt, dass man mit Folklore das Identitätsbewusstsein einer Volksgruppe nicht erhalten kann. Zur Erhaltung gehört reges geistiges Leben, eine Literatur, in der man nicht nur die Vergangenheit registriert und bewahrt, sondern die Zukunft mit geistigen Mitteln fördert. Wenn das nicht geschieht, dann ist eine Minderheit am Rande der Isolation angelangt, und es besteht keine Chance, sich daraus zu befreien. Dabei ist doch die Verschiedenheit der Mundarten und Dialekte eine Grundlage der Demokratie. Alle Angriffe gegen die Mundart sind Angriffe gegen das Volk. Wenn das bewusst wird, ist der erste Schritt getan.
In unserer von vielen Irrungen und Wirrungen geplagten Zeit ist die Heimat mit von ihren Vätern überlieferten Werten und Gütern immer noch ein sicherer Halt für unser Leben. Darum ist gerade heute die von Liebe und Ehrfurcht getragene Pflege der Mundart so wichtig.
Der Jugend sollte bewusst gemacht werden, dass unsere Kultur und damit auch die Muttersprache ein wertvoller Stein im Mosaik der Kulturen ist. Das Burgenland und seine Menschen haben viel geleistet und sind in der Lage, mit ihrem Können auf der ganzen Welt aufzutreten. Darum gibt es auch heute keinen Grund, die Identität wegzuwerfen, auch wenn wir Mitglieder der Wegwerfgesellschaft sind, und wir sollten uns des Wertes des Bodens, auf dem wir leben und dessen Sprache wir sprechen, voll bewusst sein.
Ist es nicht auch eine Überlegung wert, unsere Kinder zweisprachig aufwachsen zu lassen? Ich meine die Hochsprache als Schriftsprache und eine gepflegte Mundart als Umgangssprache, die sich besser eignet, Gefühle inniger und verständlicher, leidenschaftlicher und heiterer auszudrücken.
An Ihnen liegt es, nicht nur zu trachten, dass die Äste Ihres Heimatbaumes gesundes, starkes Blattwerk tragen, sondern dass man sich auch der Wurzeln bewusst ist und diese pflegt.
Marlene Harmtodt-Rudolf
Um die Pflege der hianzischen Mundart kümmert sich der Hianzenverein im Haus der Volkskultur in unserem Nachbarort Oberschützen.